Beispiele aus St.Vith und Eupen: »Wohnraum für alle« und der Vinzenzverein
Neue Armut: Wenig bekannt und doch ein Dauerthema

Die Bekämpfung der »Neuen Armut« haben sich die Organisatoren des Schwimm-Marathons auf die Fahnen geschrieben, doch viele Leute, die nicht so mit der Thematik vertraut sind, werden mit diesem Begriff vermutlich wenig anfangen können.

Das schweizerische Wörterbuch der Sozialpolitik definiert »Neue Armut« so: »Neu an der Armut ist, dass sich heute die Faktoren, die Armutssymptome erzeugen können, vervielfacht haben. Ein völlig unerwarteter Schock (z.B. Verlust des Arbeitsplatzes) kann das Gleichgewicht zwischen Verfügbarkeit der Ressourcen und Fähigkeit, sie zu nutzen, stören, ohne das der Verlust des Arbeitsplatzes notwendigerweise einen übertriebenen Verlust der finanzielle Ressourcen zur Folge hätte. Dies bedeutet, dass die neue Armut den ganzen Sozialkörper durchdringt, sie befällt nicht ausschließlich Personen, die unter einer bestimmten Einkommensgrenze leben.«

Im Vorfeld der elften Auflage des Lions Schwimm-Marathons haben wir uns bei zwei Empfänger-Organisationen in Eupen und St.Vith erkundigt, worin ihre Arbeit besteht und weshalb sie auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind.

 

Steigender Bedarf

Britta Plattes von »Wohnraum für alle« (St.Vith) berichtet ebenso wie Eddy Kittel vom Eupener Vinzenzverein von einem steigenden Bedarf. Die St.Vither Organisation bemüht sich darum, günstigen Wohnraum für Leute zu finden, die finanzielle Schwierigkeiten haben, auf dem »normalen« Wohnungsmarkt eine Bleibe zu finden: »Der Bedarf ist in den letzten Jahren steigend«, erklärt Britta Plattes. Es würden sich keinesfalls ausschließlich Leute mit Schulden an »Wohnraum für alle«, sondern auch Leute mit einem normalen Gehalt, die einer regelmäßigen Tätigkeit nachgehen, hätten mittlerweile Probleme eine für sie finanzierbare Wohnung zu finden: »Es sind keinesfalls nur 'Sozialfälle'. Auch eine alleinstehende Mutter mit drei Kindern wendet sich beispielsweise an uns.«

Die Aufgabe der St.Vither Organisation, die für die fünf Eifelgemeinden zuständig ist, ist es, Objekte zu finden, die es lohnt zu renovieren. Bei der Wohungssuche werden die Antragssteller aktiv miteingebunden: »Die Leute sollen Eigenverantwortung übernehmen. Deshalb gibt es auch einmal im Monat ein Treffer der Mietergemeinschaft, wo Alltagsfragen beantwortet werden (Wie wähle ich?). Außerdem wird die Möglichkeit geboten, sich ein soziales Netz aufzubauen«, verdeutlicht Britta Plattes die Wichtigkeit dieser Treffen. Im Moment verwaltet »Wohnraum für alle« etwa 25 Wohnungen und Häuser. Hinzu kommen noch Mieter, die nicht vertraglich gebunden sind. Konkret läuft es so ab, dass den Vermietern Garantien gegeben und die Mandatsverträge übernommen werden.

Eine etwas andere Aufgabe nimmt der seit 115 Jahren bestehende Eupener Vinzenzverein wahr, dessen Präsident seit 17 Jahren Eddy Kittel ist. Der Verein setzt sich seit jeher für die Armen der Stadt ein und im Gegensatz zu weit verbreiteten Annahmen ist das Aufgabengebiet in der jüngeren Vergangenheit nicht kleiner, sondern eher größer geworden: »Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die armen Leute zu unterstützen. Das Geld, das uns gespendet wird, wird den Betroffenen nicht direkt ausgezahlt. Vielmehr investieren wir die Spendengelder für die Notdürftigen«, erklärt Eddy Kittel. Es werden beispielsweise Rechnungen bezahlt, sei es für Heizmittel oder Medikamente. Kittel unterhält in Eupen ein Büro, in dem er jeden Montag von 8.30 - 11.30 Uhr eine Sprechstunde abhält, während der ihm »die Leute ihr Leid klagen«.


Nur Lebensmittel

Die Angaben werden überprüft, um Missbrauch auszuschließen: »Es kann nicht jeder kommen und behaupten: Ich bin bedürftig. Wir kontrollieren in Form von Hausbesuchen, ob die Angaben ihre Richtigkeit haben.« Als erste Hilfe werden den Notleidenden Gutscheine ausgestellt, mit der Lebensmittel erworben werden kann - worunter weder Alkohol noch Zigaretten fallen, wie Kittel ausdrücklich betonte. Im Schnitt bezahlt der Vinzenzverein monatlich Gutscheine in Höhe von etwa 4000 Euro.

Als Problem beschreibt der Präsident des Eupener Vinzenzvereins die nachlassende Spendenbereitschaft der Bevölkerung: »Ohne die finanzielle Hilfe der Serviceclubs kämen wir nicht mehr über die Runden«, bedauert Kittel, schließlich leben die Vinzenzvereine ausschließlich von Spenden. Deshalb sind die Erlöse aus dem Schwimm-Marathon umso wichtiger, zumal der Bedarf der Hilfsleistungen gestiegen ist: »Ich höre manchmal den Satz: In Eupen gibt es doch keine Armen. Dies entspricht nicht der Realität.« Es verhalte sich sogar so, dass manche Menschen, die eigentlich auf Hilfe angewiesen wären, sich aus Scham nicht an den Vinzenzverein wenden würden, obwohl die Unterstützung anonym verlaufe: »Wenn wir Hausbesuche machen, gehen wir immer abends. Es ist schade, denn ich weiß, dass es noch mehr Leute gibt, die dringend auf Hilfe angewiesen wären. Aber man kann keinen zwingen.«

Seit mehr als einem Jahr unterstützt der Vinzenzverein außerdem Krebspatienten, die sich nach Abschluss ihrer Chemotherapie die teuren Medikamente nicht leisten können. In Absprache mit den Apothekern wird ohne einen großen Verwaltungsaufwand geholfen, denn die Rechnung wird diskret an den Vinzenzverein weitergeleitet. (te)