11. Schwimm-Marathon der Deutschsprachigen Gemeinschaft: Ritualisierte Abläufe, aber die Begeisterung kannte erneut keine Grenzen
Keine Routine bei neuen Rekordzahlen

Colette Renardy und Norbert Kever überprüfen die Ergebnisse im Eupener Schwimmbad.
Aufmerksame Zeitgenossen, die sich am letzten Mittwoch des Monats Januar im Dunstkreis der Schwimmhallen von Eupen, Kelmis, Bütgenbach (Worriken) und St.Vith aufhalten, können auf Grund ihrer Beobachtungsgabe Indizien ausmachen, die sie auf die Spur des Lions Schwimm-Marathons führen.

Dass es sich bei den aus den Hallen strömenden Kindern nicht einfach um Schulklassen, die soeben ihren Schwimmunterricht beendet haben, sondern um Teilnehmer der größten Breitensportveranstaltung der Deutschsprachigen Gemeinschaft, ja sogar der gesamten Euregio Maas-Rhein handelt, fällt selbst dem geübten Auge des Laien auf. Woran erkennt man denn ein Kind, das soeben seine Längen für die Bekämpfung der »Neuen Armut« zurückgelegt hat? Nun, es steht dick eingepackt in Winterklamotten vor einer Schwimmhalle, unter der Mütze luken feuchte Haare hervor - obwohl die Primarschullehrerin noch auf die Benutzung eines Föns hingewiesen hat - und beißt kräftig in einen herzhaften Apfel. Der Erhalt eines Apfels, gewissermaßen als Ersatz für eine Medaille bzw. eine Teilnehmerurkunde, war auch bei der elften Auflage fester Bestandteil des Schwimm-Marathons, der am Abend mit einem neuen Rekord zu Ende ging. Bislang stand die Bestmarke bei 83 223 Bahnen, gestern wurde das Ergebnis des Jahres 2004 deutlich übertroffen und auf kaum für möglich gehaltene 87 927 Bahnen geschraubt. Am meisten Kilometer wurden in Bütgenbach zurückgelegt, wo 27 551 Bahnen gezählt wurden.
Feste Rituale

Die Abläufe sind ritualisiert, denn auf das Kommando »Ready? Go!« sprangen gestern Vormittag erst die Primarschüler, ab mittags die Sekundarschüler und am Nachmittag die Freizeitschwimmer sowie Mitglieder unterschiedlichster Vereine (Sport, Karneval, karitative Vereinigungen usw.) ins Wasser. In Kelmis ging es mit leichter Verspätung los, was aber nicht an verschlafenen Schülern, sondern an einem desorientierten Busfahrer lag, der die Kinder der Gemeindeschule Lontzen zunächst in Richtung Eupen kutschierte und erst von einer aufmerksamen Lehrerin auf den rechten Pfad geführt werden konnte. Solche kleinere Malheurs verleihen dem Schwimm-Marathon jedoch einen sympathischen Anstrich, zumal größere Pannen ausbleiben, zu routiniert sind die Organisatoren mittlerweile bei der Bewältigung ihrer Aufgaben, wie auch Colette Renardy bestätigt.

Sie ist so etwas wie die »gute Seele« des Schwimm-Marathons, seit 1999 dabei und für die ordnungsgemäße Eingabe der Ergebnisse aus allen vier Bädern in den Computer verantwortlich. Obwohl es für Colette Renardy und ihre zahlreichen Kollegen ein enorm anstrengender Tag ist, der am frühen Morgen beginnt und erst am späten Abend mit einem Bier - wohlgemerkt nach getaner Arbeit - endet, ist sie mit ungebrochener Begeisterung dabei: »Als ich beim Schwimm-Marathon angefangen habe, war es um die Hälfte ruhiger, aber es hat sich im Laufe der Jahre ein unwahrscheinlicher Boom entwickelt. Dennoch ist es wesentlich disziplinierter, da ich beispielsweise nicht mehr jede Schule anrufen muss. Die Schulen, wissen genau, wann und wo sie schwimmen werden, das geht praktisch von selbst. Es ist ein wahnsinnig langer Tag, der erst nach 15 Stunden vorbei ist, aber wenn man einmal da ist, lässt man sich mitreißen.«

Ihr Enthusiasmus hat sich trotz »enormer Vorbereitungen« gehalten, zumal es am Tag des Schwimm-Marathons stets die emotionale Belohnung gibt, was in ähnlicher Weise auch BRF-Reporter Michael Reul bestätigen konnte. Im Oktober denke er manchmal »Schon wieder Schwimm-Marathon«, aber am letzten Januar-Mittwoch steckt auch ihn die Freude bei den Teilnehmern an. Diese äußert sich bei den Primarschülern naturgemäß in größerer Phonstärke als beispielsweise bei einer 78-jährigen Frühschwimmerin in Eupen, doch unterschiedliche Ausdrucksformen führen beim Schwimm-Marathon ebenso wie Schwimmstile aller Art zu einem Ziel, das bei der elften Auflage nach 87 927 Bahnen erreicht wurde.

 

Prominenz

Die Jagd auf den Rekord hatte bereits am Dienstagabend begonnen, als in Eupen Triathleten und Mitglieder der IRMEP als erste Teilnehmer des Schwimm-Marathons ihre »Arbeit« aufnahmen, ihnen folgten um Mitternacht in Worriken Soldaten des Lagers Elsenborn. Ein Damen-Quintett unter Anführung von Sportministerin Isabelle Weykmans, die von vier Mitarbeiterinnen begleitet wurde, begehrte um 6 Uhr Einlass ins Eupener Schwimmbad und legte gemeinsam 232 Bahnen zurück. Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz zog wenig später einsam seine Bahnen, während Oliver Paasch mittags in St.Vith das Duell mit dem Sportschöffen Herbert Felten suchte und mit 100 Bahnen für sich entschied, womit er sein Vorjahresergebnis von 48 Bahnen verdoppelte.

Dies war jedoch nichts im Vergleich zu zwei 13-jährigen Jungen aus Eupen, die jeder 241 Bahnen zurücklegten und sich diesen Marathon in zwei Etappen aufteilten. Während das Spendentelefon im BRF kräftig klingelte, sich in St.Vith und Kelmis eine nachmittägliche Ruhe vor dem Schlusssturm ausbreitete, wurden in Eupen weiter fleißig »Kacheln gezählt«. Die Spendenbox kräftig gefüllt hatten hingegen Schüler des Athenäums, die jeder einen Euro spendeten, wodurch mehr als 100 Euro zusammenkamen.

Riesenstimmung herrschte dann abends in Kelmis, wo die Karnevalisten mit Polonaisen »übers Wasser liefen« und die Volleyballspielerinnen des VBC Calaminia gemeinsam mit den Fußballern der Union Kelmis schwammen. Union-Präsident Egide Sebastian, der ohnehin pro Länge der Karnevalisten einen Euro spenden wollte, ließ sich derart begeistern, dass er spontan eine Spende in Höhe von 5000 Euro ankündigte: »Das ist der Hammer«, freute sich Marc Wolfs vom Organisationskomitee. Bei der Telefonaktion des Belgischen Rundfunks gingen Spendenzusagen in Höhe von knapp 8000 Euro ein.